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18. Dezember 2010

Krieg als Mittel der Politik?

Am Donnerstag, den 16.12.2010 hatte das Segeberger "Bündnis für Demokratie und Toleranz - Bündnis gegen Rechts" zu einem Informations- und Diskussionsabend unter dem Thema "Kriegsfähig: Die Strukturreform der Bundeswehr" eingeladen. Vor 12 interessierten ZuhörerInnen hielt Detlef Mielke von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) einen etwa einstündigen Vortrag zur geplanten Bundeswehrreform und der aktuellen Diskussion zur Zukunft der Wehrpflicht in den Medien. Mit Hilfe einer anschaulichen Powerpoint-Präsentation ging Mielke zunächst auf die Ursprünge der geplanten Reform ein, die bis in die 90er-Jahre zurückgehen und bereits von Verteidigungsministern wie Rühe, Scharping oder Struck vorbereitet wurden. Grundlage dafür waren damals bereits Verteidigungspolitische Richtlinien, die auch unabhängig von der NATO die "deutschen Wertvorstellungen und Interessen" als entscheidene Leitlinien festlegten. Zu den weiteren Rahmenbedingungen dieser Reformentwicklung gehörten zudem der "2 plus 4 Vertrag" mit einer Truppenbeschränkung auf 370.000 Mann sowie eine neue sicherheitspolitische Situation nach der Auflösung des Warschauer Paktes im Jahre 1991.

In seinen Ausführungen beschrieb Mielke dann eine zunehmende Neuorientierung der Verteidigungspolitik seit Anfang der 90-er Jahre  an "vitalen Sicherheitsinteressen" und dem "ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt". Auch ein ständiger Sitz im UN-Weltsicherheitsrats wurde damit zum Leitmotiv führender Politiker, die immer wieder den Begriff der "Verantwortung" benutzten, um Auslandseinsätze der Bundeswehr in aller Welt zu rechtfertigen. Besonders deutlich wurde diese Entwicklung kürzlich in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages im September. Verteidigungsminister von Guttenberg erklärte dort: "Wir wollen die anstehende Neuausrichtung nutzen, um die Bundeswehr als ein leistungsfähiges Instrument unserer Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken". Mit ungewöhnlicher Deutlichkeit hatte der Minister an dieser Stelle die Entwicklung der vergangenen Jahre, die auch zur deutschen Kriegsbeteiligung in Jugoslawien und Afghanistan geführt hatte, zusammengefasst. Krieg sei demnach ein legales Mittel der Politik.

In seinem Vortrag ging Detlef Mielke zudem auf die Personalentwicklung der Bundewehr ein, die immer wieder zum beliebten Thema in den Medien geworden war. Obwohl dabei meist der Eindruck erweckt wurde, dass die anstehende Aussetzung der Wehrpflicht und die weitere Reform der Bundeswehr vor allem aus einem Sparwillen heraus entstanden sind, so belegen die offiziellen Statistiken doch eine ganz andere Tendenz. Obwohl die Gesamtzahl der Soldaten von etwa 250 000 bis 2017 auf 185 000 reduziert werden soll, so wird die Zahl der Zeitsoldaten im gleichen Zeitraum nur um 10 000 auf etwa 185 000 reduziert, von denen 15 000 den Freiwilligen Wehrdienst leisten.

Mit dem Wegfall der Wehrpflicht sollen neue Kapazitäten frei werden für die "neue Rolle" der Bundeswehr. Wie diese genau aussehen soll, belegen die Zahlen: Während aktuell etwa 42% der Soldaten für den Auslandseinsatz (aufgeteilt nach Eingreif-, Stabilisierung- und Unterstützungskräfte) verplant sind, sieht das Zukunftsmodell der Weise-Kommission (Modell 4) eine Verdoppelung dieser Zahlen vor. Demnach sollen über 80%, also etwa 133 500 Soldaten, für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen. Der Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee (GG Art. 87a) hin zu einer stets einsatzbereiten Interventionsarmee in aller Welt ist damit das Hauptmotiv der geplanten Reformen. Hinzu kommt, dass mit den Personaleinsparungen durch Aussetzung der "ineffektiven" Wehrpflicht mehr Spielraum für Investitionen in moderne und an die "neuen Einsatzbedingungen" angepasste Waffensysteme  entsteht. So wurden auch im nächsten Jahr im Einzelplan 14 des Bundeshaltes 400 000 000 Euro mehr eingeplant.

Abschließend ging Mielke zudem auf die Zukunft des Zivildienstes und den von der Bundesregierung geplanten "Freiwilligendienst" ein. Während in der öffentlichen Diskussion meist das Aussetzen der Wehrpflicht mit dem Aussetzen des Zivildienstes und allen damit verbunden sozialen Folgen gleichgesetzt wird, zeigen einfache Berechnungen ein völlig anderes Bild. Durch einen kompletten Ausstieg aus dem Zivildienst würde demnach 1 Milliarde Euro (Budget des Ministeriums) frei werden, mit der sich 76 000 Halbtags-Pflegestellen im Sozialbereich finanzieren ließen. Stattdessen plant Familienministerin Schröder jedoch einen Bundesfreiwilligendienst für Frauen und Männer ab 16 Jahren in erweiterten Einsatzbereichen wie Kultur und Bildung für 35 000 Freiwillige im Jahr bei einer Vergütung von 500 Euro im Monat. Damit würden bestehende Bundesstrukturen erhalten bleiben, zudem die Wehrpflicht nur als ausgesetzt gilt und junge Menschen weiterhin erfasst werden.

Die anwesenden Gäste und Bündnismitglieder dankten Detlef Mielke für seinen Vortrag und verständigten sich darauf, im neuen Jahr den Afghanistankrieg speziell als weiteres Thema zu behandeln. Weitere Informationen auf www.buendnis-se.de