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5. Oktober 2013 Heinz-Michael Kittler

Gutachten über Segeberger Nazi Landrat kommt bald

Waldemar von Mohl - Gutachten kommt bald

Waldemar von Mohl - Gutachten kommt bald

In ca. einer Woche, Mitte Oktober erwartet der Kreis Segeberg das Gutachten über Waldemar von Mohl, NSDAP Mitgliedsnr.: 3948050, der von Dezember 1932 bis Mai 1945 hier Landrat war.

Dieses Gutachten hatte der Kreis wegen einer Initiative der linken Kreistagsfraktion beim Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte in Auftrag gegeben. Die Linken hatte bemängelt, dass Nazi Portraits unkommentiert in öffentlichen Diensträumen zur Schau gestellt sind.

Neben v. Mohl hängt im Foyer des Segeberger Kreistages auch ein unkommentiertes Portrait von Walter Alnor, der zwar erst von 1950 bis 1959 Segeberger Landrat war, aber als vormaliger Nazi-Landrat in Eckernförde und anschließend als deutscher Besatzungskommissar im Baltikum eine Vorgeschichte hatte. Beide können auch zusätzlich als Ölgemälde im Landratsamt bewundert werden, wo nur sie - und keine anderen ehemaligen Landräte platziert sind.

Die linke Kreistagsfraktion erwartet von dem Gutachten Aufschluss darüber, in wieweit hier bei uns der Landrat und damit die von ihm geleitete "Zivilverwaltung" in die nationalsozialistische Gewaltherrschaft tatsächlich verstrickt bzw. integriert war. Dabei geht DIE LINKE davon aus, dass die umfangreichen regionalgeschichtlichen Forschungen von Dr. Gerhard Hoch aus Alveslohe, u.a. das von ihm veröffentlichte Buch: "Die Amtszeit des Segeberger Landrats Waldemar von Mohl 1932 - 1945" endlich die Bestätigung und Anerkennung erfahren, die ihnen gebühren.

Denn viele Menschen glauben immer noch, der Nationalsozialismus sei nun mal leider auch in den Norden nach Schleswig-Holstein geschwappt, habe unser Land mit seiner Gewaltherrschaft überzogen und irgendwelche Nazi-Schergen hätten bei Nacht und Nebel jüdische Mitbürger verschleppt, die dann der anonymen Massenvernichtung, z.B. in Auschwitz zum Opfer gefallen wären.

Demgegenüber war Schleswig-Holstein vielmehr schon früh eine Nazi-Hochburg, besonders der Kreis Segeberg, wo in vielen Kommunalvertretungen lange vor 1933 nationalsozialistische Mehrheiten bereits die Regel waren.

Im Kreis Segeberg, wo der Getreidekaufmann und NS-Kreisleiter Werner Stiehr und der Verwaltungsjurist und Landrat Waldemar von Mohl das Sagen hatten, setzte die extreme Repression gegen jüdische Mitbürger besonders früh ein und führte zu vielen Suiziden. Einige Schicksale wie z.B. Oskar Alexander's sind dokumentiert. Andere konnten sich zunächst in die relative Anonymität der Großstädte Hamburg und Lübeck flüchten, da das Tragen des Judensterns erst 1941 erlassen wurde. Aber im gleichen Jahr wurden die meisten von ihnen bereits deportiert. Endstation dieser Deportationen war das im Sommer 1941 frisch eroberte Baltikum, umgetauft in "Reichskommissariat Ostland". Chef war der Schleswig-Holsteinische Oberpräsident Hinrich Lohse, der seine Besatzungsherrschaft mit einer großen Zahl Schleswig-Holsteinern führte. Einige wurden wie Oberpräsident Lohse nach 1945 mit stattlichen Pensionen versorgt, andere setzten ihre Karriere fort, z.B. der Gebietskommissar von Libau, Walter Alnor, als Segeberger Landrat bis 1959.s.a.: (http://www.izrg.de/projekt-5.html

Am 19.09.2013 schrieb die Segeberger Zeitung:

"Schleswig-Holstein galt in den 1950er-Jahren als nazifreundliches Bundesland. Es gab bereits damals mehrere große Skandale, weil NS-Verbrecher wie Euthanasie-Ärzte oder Offiziere von Erschießungskommandos mit dem Wissen offizieller Stellen dort tätig gewesen sein sollen" und weiter: " Der schleswig-holsteinische Landtag will die Rolle früherer Nationalsozialisten in der Landesregierung und in den eigenen Reihen nach 1945 wissenschaftlich untersuchen lassen. Auf einen entsprechenden Plan einigte sich letzte Woche der Ältestenrat, wie die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP, SSW und Piraten gestern in Kiel mitteilten. Der Antrag solle voraussichtlich im November zusammen von allen Parteien im Landtag beschlossen werden. Im Kern gehe es darum, inwieweit Mitglieder von Regierungen und Parlamenten sowie hohe Beamte der Verwaltung Mitglieder der Nationalsozialisten waren oder vor 1945 für die NS-Diktatur tätig waren und wie im Landtag und dessen Umfeld in den 1950er Jahren mit der NS-Vergangenheit von Funktionsträgern umgegangen worden sei, erklärten die Landtagfraktionen."

Anlässlich des Besuches von Ministerpräsident Albig in der - ebenfalls unter maßgeblicher Beteiligung von Dr. Gerhard Hoch geschaffenen - KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen im August hat dieser mehr Unterstützung für die Erinnerungsarbeit zu den Verbrechen der Nazi-Diktatur zugesagt. Und weiter: „Nur wenn die nachwachsenden Generationen begreifen, was in den dunkelsten Jahren unserer Landesgeschichte geschehen ist, können wir ein Wiederaufkeimen des Faschismus ausschließen“, betonte Albig.

Das sieht die linke Fraktion im Segeberger Kreistag ähnlich, erwartet von dem Gutachten über Waldemar von Mohl Aufschluss über seine Person, und ob die in den 50er Jahren über ihn gestrickte Legende noch haltbar ist. DIE LINKE hat für die demnächst im Kreistag angesetzte Debatte über strategische Ziele u.a. schon mal als ein Ziel beantragt:

Das Gutachten über Waldemar von Mohl kann nur ein Anfang gewesen sein. Ziel: "Der Kreis Segeberg setzt auch nach dem v.Mohl-Gutachten seine Erinnerungsarbeit fort."