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13. Februar 2014

Abschiebung aus Wahlkampfzwecken?

Das Norderstedter Info-Archiv hat anlässlich des vorerst gescheiterten Abschiebversuchs der Familie Hakopjan nachgefasst und und ist dabei auf politische Streitereien ganz anderer Art gestoßen. Wir veröffentlichen dazu hier die antsprechenden Passagen des Info-Archivs. DIE LINKE wird über die Kreistagsfraktion auf eine umfängliche Aufklärung der Vorgänge drängen.

Aus dem Bericht des Info-Archiv:

Von Hans-Georg (Felix) Becker und Olaf Harning

"Während sich Politiker fast aller Parteien und auch die Segeberger Jusos hinter die Familie stellen, nutzte der Segeberger Bundestagsabgeordnete Gero Storjohann (CDU) die Aktion der Ausländerbehörde zu einem Seitenhieb auf Landrätin Jutta Hartwieg (SPD). Kurz vor der Neuwahl des Landratsamtes wunderte sich Storjohann öffentlich, warum sie im Fall Hakopjan nicht neue gesetzliche Möglichkeiten dafür genutzt habe, die Familie wegen ihrer Integrationsleistung dauerhaft zu dulden. Damit spielt er vermutlich auf § 25a AufenthG an, das die Aufenthaltsgewährung für „gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende“ regelt. Seiner Auffassung nach wäre die Abschiebung dadurch vermeidbar gewesen.

Dem widerspricht Rolf Meenen, Leiter der Segeberger Ausländerbehörde, energisch: Zwar schaffe der fragliche Paragraph in der Tat Möglichkeiten, auch abgelehnten Asylbewerbern den Aufenthalt zu ermöglichen, die Kinder der Familie Hakopjan allerdings seien noch zu jung, um überhaupt unter die Regelungen zu fallen. „Und selbst wenn das Alter der Kinder passen würde“, ergänzt Meenen, „haben die Eltern über Jahre ihre Identität verschleiert, was ein klarer Ausschlussgrund ist.“ Auch in Hinblick auf die Äußerungen Storjohanns ist das interessant: Während die Landrätin nämlich in die alltäglichen Entscheidungen der Ausländerbehörde gar nicht eingebunden wird, ist Meenen nicht nur deren verantwortlicher Leiter, sondern auch Mitglied der Wahlstedter CDU-Fraktion - und damit Parteifreund Storjohanns. 

Gegenüber dem Infoarchiv sagte Meenen, mit der Abschiebung der Familie Hakopjan habe man lediglich „eine Weisungsaufgabe des Bundes“ auszuführen. „Der Rechtsweg“, so der Beamte, „ist für die Familie vollumfänglich ausgereizt“, daher habe seine Behörde letztlich „keinen Handlungsspielraum“. Dem widerspricht der schleswig-holsteinische Flüchtlingsrat: Laut Geschäftsführer Martin Link könnte die Behörde das Problem für Familie Hakopjan sowohl auf Grundlage eines Vorgriffserlasses des Kieler Innenministeriums lösen, ermessensleitenden Rat beim Innenministerium suchen, oder auch selber die Härtefallkommission anrufen. „Doch das“, so Link, „hat man in Segeberg noch nie gemacht.“ Auch die frühmorgendliche Abholung sei nicht alternativlos, so hätten andere Kommunen ausreisepflichtige Personen vor dem Abflug zur Übernachtung in die Sammelstelle Neumünster eingeladen – so konnten sie zumindest noch ihre Dinge regeln.

Doch die Ausländerbehörde Segeberg hat schon seit Jahren einen schlechten Ruf – vor allem, was den Umgang mit Ausreisepflichtigen angeht. So sorgten Mitte 2005 gleich zwei brachiale Abschiebungen für Schlagzeilen, als Behördenmitarbeiter und Polizei zunächst die kurdische Familie Ö. unter dramatischen Umständen aus ihrer Unterkunft zwangen und in die Türkei flogen. Nur wenig später brachen dann alle Dämme, als der nach Angaben seiner Ärzte akut selbstmordgefährdete Kurde Murat S. gewaltsam aus der Psychiatrischen Klinik Rickling geholt und ebenfalls in die Türkei abgeschoben wurde, von wo er zuvor nach schweren Folterungen geflohen war.

Auch wenn rabiate Abschiebungen letztlich in mehreren Kreisen Schleswig-Holsteins vorkommen, gilt Rolf Meenen als bürokratischer Hardliner. Als kürzlich verschiedene Behördenvertreter in Kiel zu einer Konferenz über die steigenden Flüchtlingszahlen aus Syrien zusammen kamen, fragte er als einziger, ob es denn im Innenministerium schon Pläne gebe, wie man die Leute wieder zurück in ihr Heimatland bekommen könnte. Für Martin Link ein Zeichen dafür, dass es mit der viel diskutierten „Willkommenskultur“ im Kreis Segeberg noch nicht weit her ist, denn: „Zu einer Willkommenskultur gehört auch, etwas mehr Weitherzigkeit im Verwaltungshandeln zu zeigen." Statt von "bürokratischen Rachegedanken getrieben, einstige Fehler von entwurzelten Menschen zu ahnden", so Link ärgerlich, "wäre es besser, den nicht zuletzt in unserem eigenen Interesse liegenden Integrationsleistungen von Menschen gerecht zu werden."