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18. März 2014

Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Kein Grund zur Bescheidenheit

Tarifrunde 2014

Tarifrunde 2014

Björn Radke

Die erste Runde der Tarifrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen, und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di Nord) hat ihre Mitglieder zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen, um zu einer für die Beschäftigten akzeptablen Einigung zu kommen. Bisher haben die öffentlichen Arbeitgeber kein eigenes Angebot vorgelegt. In Schleswig-Holstein ist es zu ersten Aktionen in Barmstedt (Kreis Pinneberg) gekommen, Flensburg soll als nächstes folgen.

"Leider sind die Arbeitgeber auf dem üblichen Kurs, und eine Annäherung zwischen den Forderungen der Beschäftigten und den Arbeitgebern ist derzeit nicht erkennbar. Jetzt müssen die  Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben  ein deutliches Signal setzen und mit Impulsen von unten Bewegung in die Verhandlungen bringen“, so eine Vertreterin von ver.di-nord weiter.

ver.di fordert:

  • eine Anhebung der Entgelte um 100 Euro plus zusätzlich
  • 3,5 Prozent, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro monatlich sowie die unbefristete Übernahme der Auszubildenden.
  • In den Krankenhäusern sollen die Nachtzuschläge von 15 Prozent auf das Niveau der Nachtzuschläge im TVöD (20 Prozent) angehoben werden. Gleichzeitig will ver.di mit den Arbeitgebern über einen einheitlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen für alle Beschäftigten sowie über den Ausschluss von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen sprechen. Das Ergebnis soll zudem zeit- und inhaltsgleich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden.

Dazu kommt eine Reihe weiterer Forderungen:

  • 30 Tage Urlaub für alle, auch für die Auszubildenden. Bisher gibt es 27, 29 und 30 Tage.
  • Befristete Arbeitsverträge sollen nur noch mit Sachgründen erlaubt sein. Die gesetzliche Regelung einer sachgrundlosen Befristung von bis zu zwei Jahren soll tarifvertraglich ausgeschlossen werden.
  • Unbefristete Übernahme aller Auszubildenden.
  • Spartenspezifische Sonderforderungen: Für die Beschäftigten des Nahverkehrs eine Zulage von 70,00 Euro/Monat und für die Krankenhäuser eine Erhöhung des Nachtzuschlags auf 20%.
  • Schließlich gibt es noch eine Reihe von Forderungen, die aus Nachteilen bei der Umstellung des alten BAT auf den TVöD im Juli 2005 resultieren.
  • Die Laufzeit der Entgelterhöhungen soll zwölf Monate betragen.

Insgesamt dürfte sich das Forderungsvolumen auf über 7% addieren.

Diese Forderungen sind angesichts der Folgen der unter dem Diktat der Schuldenbremse vollzogenen Haushaltskonsolidierungspolitik berechtigt und nachvollziehbar. Die zunehmende Belastung der kommunalen Haushalte bei gleichzeitiger Kürzung der Zuweisungen in den letzten Jahren ist in den Kreisen und Kommunen auf heftigen Protest gestoßen.

Die Beschäftigten sehen sich einer Front
der Arbeitgeber aus Bund und Kommunen gegenüber, die bereits vor Beginn der Verhandlungen ihre Ablehnung klar gemacht haben. Bundesinnenminister de Maizière (CDU) bezeichnete die Forderung als „maßlos überzogen“, kommunale Arbeitgeber drohen mit einer weiteren Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Vor der nächsten Verhandlungsrunde am 21.März ist nicht erkennbar, dass die Arbeitgeber Entgegenkommen zeigen werden. Sie verweisen auf ihre hohen Schulden, die sich nach 2008 angehäuft haben, die Einhaltung der Schuldenbremse, das lohnpolitische Umfeld, die ganz unterschiedliche und nicht vergleichbare Situation der Finanzen der Kommunen und die aus ihrer Sicht völlig falsche Verteilungswirkung einer Grundbetragsforderung als soziale Komponente. Ein überproportionaler Anstieg im unteren Bereich hätte ihrer Meinung nach weiteres Outsourcing zur Folge, während man in den oberen Entgeltgruppen nicht konkurrenzfähig sei, um qualifiziertes Personal zu bekommen. Hier müssten dann ggf. Zulagen gezahlt werden, was den Abschluss weiter verteuere.

Der Konflikt ist also programmiert. Die Mitglieder wollen vor allem Geld sehen. Für sie sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln, bei Strom, Verkehr und Mieten der Grund für einen »kräftigen Schluck aus der Pulle«. Und sie wollen in dieser Tarifrunde auf jeden Fall eine soziale Komponente sehen. Hier wirkt noch die letzte Tarifrunde nach, in der ein Sockel vehement gefordert, dann aber nicht umgesetzt werden konnte.

Für die Beschäftigten insgesamt sorgen die anziehenden Gewinne der Wirtschaft und die sprudelnden Boni der Banken für das Gefühl einer grundsätzlichen Benachteiligung in der Verteilung des wieder wachsenden gesellschaftlichen Reichtums. Mit jedem Monat, in dem sich die Prognosen über das Wirtschaftswachstum als real erweisen, wird der Widerspruch sichtbarer, werden die Erwartungen höher und steigt die Bereitschaft zum Kämpfen.

Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften stehen vor dem Problem, dass ihnen von den kommunalen Arbeitgebern die chronische Unterfinanzierung der Kommunen gegenübergestellt wird. Dabei ist die Hauptursache für die prekäre Lage der Kommunalfinanzen die fortgesetzte Steuersenkungspolitik, die von der Regierung aus SPD und Grünen vor zwölf Jahren begonnen wurde und seitdem von allen Bundesregierungen fortgesetzt wird.

Die Zukunftsfähigkeit der Kommunen zu sichern wird nur möglich durch eine auf lange Sicht angelegte grundlegende Neugestaltung der kommunalen Einnahmequellen. Einzelne Kommunen stehen vor der Zahlungsunfähigkeit. Finanzielle Unterstützung durch die Landesregierung erhalten diese Kommunen nur unter Einhaltung der strikten Auflagen der »Schuldenbremse«.

Für die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften gilt es, der Option der Arbeitgeber, womöglich durchgesetzte Lohnerhöhungen über Streichungen im Haushalt an anderer Stelle zu begegnen, offensiv und argumentativ entgegen zu treten. Auch in 2014 werden nicht nur die klassischen Streikbereiche Nahverkehr und Müllabfuhr dabei sein. Erzieherinnen und Erzieher, Kindertagesstätten, Krankenhäuser und sogar kirchliche Beschäftigte werden den Druck aufbauen, um zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Wie sich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes aufstellen werden, wird spätestens am 21. März sichtbar werden.