Zur Zeit wird gefiltert nach: Kreisverband Segeberg

30. Juni 2014 Olaf Harning

Wohnen ist ein Menschenrecht!

30. Juni 2014 – dieses Datum wird als schwarzer Tag für den sozialen Wohnungsbau in die Geschichte Schleswig-Holsteins eingehen. Nicht nur, dass mit Ablauf des heutigen Tages landesweit mehr als 15.000 Sozialwohnungen aus der sogenannten Belegungsbindung fallen, auch die weiter in Bindung befindlichen Wohnungen – bislang meist bei Mieten ab 5,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt – dürfen ab heute regelmäßig verteuert werden, bis sie die ortsübliche Vergleichsmiete erreichen. Sozialwohnungen, wie wir sie kennen, gehören damit der Vergangenheit an.

 

„Es wäre falsch, wollte man Wohnungsunternehmen über ein halbes Jahrhundert vorschreiben, welches Mieterklientel in den Wohnungen leben soll.“

 

Mit diesen Worten leitete Schleswig-Holsteins damaliger Innenminister und SPD-Landesparteichef Ralf Stegner Ende 2007 eine Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes ein, die 2009 in Kraft trat – und die den größten, anzunehmenden Schaden anrichtete: Weil Stegner die zuvor zwischen 45 und 70 Jahre gültige Mietpreisbindung – NACHTRÄGLICH! – auf 35 Jahre begrenzte und den Vermietern außerdem erlaubte, die Miete gebundener Sozialwohnungen ab heute alle drei Jahre um bis zu 9 Prozent zu erhöhen, müssen die Mieter jetzt die Zeche zahlen. Insgesamt fallen durch die Änderungen fast 30.000 Sozialwohnungen vorzeitig aus der sozialen Bindung, schon zu morgen haben verschiedene große Wohnungsgesellschaften in Schleswig-Holstein Mieterhöhungen für Tausende Sozialwohnungen angekündigt.

 

Alleine in Norderstedt fallen 2.000 Sozialwohnungen weg – dabei fehlen bereits 4.500 „günstige“ Wohneinheiten!

 

Die verheerendsten Folgen der „Stegner-Idee“ hat neben der Landeshauptstadt Kiel und der Insel Sylt der Hamburger Speckgürtel zu tragen – mittendrin: die Stadt Norderstedt. Etwa 3.000 Sozialwohnungen gab es hier noch in den 1990er Jahren, im Jahre 2018 werden es nur noch knapp mehr als 1.000 sein – und das mitten in einer sich entwickelnden Wohnungsnot und bereits inklusive neu geförderter Wohnungen. Alleine mit dem heutigen Tag fallen in Norderstedt 574 Wohnungen aus der Bindung, 48 davon in den Häusern Heidbergstraße 37 bis 87 und im benachbarten Malenter Weg. Darum stehen wir hier.

 

Und als wäre das alles nicht genug, wissen wir schon seit Veröffentlichung des Norderstedter Wohnungsmarktkonzeptes („GEWOS-Gutachten“), dass Norderstedt zwar insgesamt mehr „angemessen“ günstige Wohnungen hat, als nachgefragt werden, dass dabei aber Angebot und Nachfrage bei der Größe der Wohnungen meilenweit auseinandergehen: Sind laut Gutachten etwa 1.100 Wohnungen mit weniger als 40 Quadratmetern vorhanden, fragen rund 5.600 „Ein-Personen-Haushalte“ nach Unterkünften in diesem Segment nach. Kurz und knapp: In einer mittleren Stadt wie Norderstedt fehlen mal eben 4.500 kleine, bezahlbare Wohnungen.

 

Nur 300 „neue“ Sozialwohnungen sind geplant …

 

Dem allen stehen in Norderstedt nach aktuellsten Zahlen nicht einmal 200 neu geplante- und 100 für wenige Jahre in ihrer Mietpreisbindung verlängerte Wohnungen entgegen. Naja … und eine „Wohnungsbau-Offensive“ des schleswig-holsteinischen Innenministers Andreas Breitner (SPD), die als Lösung landesweit Darlehen für etwa 1.700 Wohnungen anbietet – aus Mitteln, die bereits von der Vorgängerregierung bereitgestellt wurden. Wir erinnern uns: Alleine heute, am 30. Juni 2014, fallen dank Ralf Stegner 15.000 Wohnungen aus der Mietpreisbindung. „Was genau Norderstedts SPD-Politiker Thomas Jäger also kürzlich damit meinte, dass die Wohnungsbau-Offensive ´wirkt`“, ärgert sich LINKEN-Fraktionschef Miro Berbig, „wird wohl sein Geheimnis bleiben. Das einzige, was hier wirkt, ist Ralf Stegner.“

 

Mehr günstiger Wohnraum! Mehr Druck auf die Wohnungsgesellschaften! Her mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft!

 

Oberflächlich betrachtet, sind sich mittlerweile alle in die Stadtvertretung gewählten Parteien einig, singen das hohe Lied vom Sozialen Wohnungsbau. Doch obwohl sich CDU und SPD, die FDP und auch die Garstedter Wählergemeinschaft „Wir in Norderstedt“ inzwischen ebenfalls für Sozialen Wohnungsbau aussprechen: Bei allen entscheidenden Abstimmungen in der Stadtvertretung und in den Ausschüssen haben sie letztlich gekniffen und große wie kleine Wohnungsbauprojekte ohne Sozialwohnungen durchgewunken. Vor allem Schwarz-Gelb wehrt sich weiterhin mit Händen und Füßen dagegen, die halbherzig beschlossene Klausel für 30 Prozent Sozialwohnungen auch auf Flächen anzuwenden, die überwiegend mit Einzel-, Reihen- oder Doppelhäusern bebaut werden.

 

Nicht ohne Grund also fühlen sich betroffene Mieter zunehmend von Stadt und Politik im Stich gelassen, nehmen ihre Geschicke in die eigenen Hände. So haben die Mieter der „Neuen Lübecker“ im Friedrichsgaber Weg eine Initiative gegründet, um Luxussanierungen, einen allzu verdichteten Neubau ihrer Häuser und den Wegfall der Sozialwohnungen im Quartier zu verhindern. Und auch in der Königsberger Straße (Abriss und verdichteter Neubau) und hier in der Heidbergstraße regt sich Widerstand, wollen Mieter die Verteuerung des Wohnraums nicht klaglos hinnehmen.

 

Solidarität mit Mieterinitiativen!

 

DIE LINKE solidarisiert sich mit diesen Mieterinitiativen und ihren Protesten und fordert andere Betroffene auf, dem Vorbild dieser Gruppen zu folgen. Miro Berbig: „Schließen Sie sich zusammen und gehen Sie an die Öffentlichkeit, wenn Ihre Miete schon wieder erhöht wird oder wenn Ihr Altbau einem oder mehreren teuren Neubauten weichen soll. Wenden Sie sich an die Presse und gerne auch an DIE LINKE, um Ihr Anliegen öffentlich zu machen!“

 

Um die aktuelle Wohnungsnot zu bekämpfen und für künftige Krisen eine kommunale Handlungsfähigkeit zu erlangen, hat DIE LINKE in Norderstedt drei Forderungen aufgestellt, bzw. erneuert:

 

• Konsequent 30% Sozialwohnungen bei allen beginnenden Wohnungsbauprojekten!

• Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, Einstieg in den kommunalen Wohnungsbau!

• Erlass einer Satzung nach §2 Abs. 3 SHWoFG für Teilbereiche der Stadt, in denen die Verwaltung Wohnungssuchende für freiwerdende Sozialwohnungen benennen kann.