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27. Mai 2014

Europawahlen in Schleswig-Holstein - Alles im Lot?

Nach der Europawahl - eine Nachlese

Nach der Europawahl - eine Nachlese

Die CDU ist bei der Europawahl trotz Verlusten auch in Schleswig-Holstein wieder stärkste Partei geworden. Aber ihr Vorsprung zur SPD schmolz am Sonntag stark zusammen. Vor fünf Jahren betrug der Vorsprung der CDU noch 13,3 Prozentpunkte, jetzt waren es nur noch 2,4. Auch in Schleswig-Holstein spiegelt sich im Ergebnis der Europawahlen die derzeitige gesellschaftliche Stimmung wieder. Dabei lag die Wahlbeteiligung hier mit 43,7 Prozent 4,4, Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 48,1 Prozent. Gemessen an der schlechten Wahlbeteiligung von 2009 mit 36,8 Prozent ist das ein Zunahme von beachtlichen 6,9 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Zusätzlich haben 154.311 Wählerinnen und Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Es bleibt aber festzuhalten: Bei insgesamt 2.233.730 Wahlberechtigten haben sich 1.257.240, und damit mehr als 50 Prozent aus dem Feld der politischen Beteiligung verabschiedet. Mit dieser geringen Beteiligung wird die Legitimation der repräsentativen Demokratie weiter untergraben.

  • Die CDU hat 3,5 Prozent (24.951 Stimmen) verloren und erreichte 34,4 Prozent (333.319). Das entspricht gerademal noch einem Anteil von 14,9 Prozent der Wahlberechtigten in Schleswig-Holstein.
  • Die SPD hat zwar 7,3 Prozent hinzugewonnen (109.065 Stimmen), hatte 2009 aber mit 24,6 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis überhaupt. Mit erreichten 32 Prozent repäsentiert sie noch 13,5 Prozent. Das Kalkül in diesem Wahlkampf auf Martin Schulz zu setzen, scheint zwar aufgegangen zu sein, aber an der Grundkonstellation im Land ändert das nicht viel.
  • Die GRÜNEN als dritte Kraft im Land haben mit 12,4 Prozent leicht verloren (1,1 Prozent) und repräsentieren noch 5,37 Prozent der Wahlberechtigten.
  • Völlig abgestürzt ist die FDP, der Kubicki-Bonus ist längst verblasst. Von vormals 12,7 Prozent verloren die Liberalen 8,9 Prozent. 66.584 ehemalige Wähler_innen suchten das weite und gerade noch 36.307 Stimmen bescheren den Liberalen ein de facto Sektendasein.
  • Die rechtspopulistische AfD hat aus dem Stand 6,8 Prozent (65.910 Stimmen) erreicht und damit die LINKE überholt, die ihr Ergebnis von 3,9 auf 4,5 Prozent (um 11.525 Stimmen auf 43.240 Stimmen) verbessern konnte.

Von 15 Wahlkreisen konnte die SPD vier (Lübeck, Kiel, Neumünster und Flensburg) für sich gewinnen, nachdem sie 2009 nur in Kiel die meisten Stimmen erhielt, die elf ländlichen Regionen, darunter auch der "Speckgürtel" im Hamburger Umland sind feste CDU-Domainen geblieben. Die Wahlbeteiligung stellte sich sehr unterschiedlich dar: Während im wohlhabenden Kreis Stormarn im Nordosten Hamburgs immerhin noch 50,1 Prozent der Bürger_innen zur Wahl gingen, haben sich in Flensburg an der deutsch-dänischen Grenze mit einer Arbeitslosenrate von 7,6 Prozent (18.284 Menschen im April) gerade noch 35,7 Prozent an der Wahl beteiligt.

Im Kreis Segeberg hat die CDU zwar 2,5 Prozent verloren, aber aufgrund der höheren Wahlbeteiligung über 3.000 Stimmen hinzu gewonnen. Der große Gewinner ist die SPD, die 9,2 Prozent (ein Plus von 11.221 Stimmen) auf 31,6 Prozent zugelegt hat und damit ihr grottenschlechtes Ergebnis von 2009 mit gerade einmal 22,4  Prozent wettmachen konnte. Während die GRÜNEN sich annähernd mit 10.6 Prozent halten konnten, hat die FDP auch im Kreis über 7.000 Stimmen verloren(-10,9 Prozent) und kommt gerade noch auf 3,7 Prozent.

Die LINKE im Kreis liegt mit 4,2 Prozent etwas unter dem Landesdurchschnitt, hat aber einen leichten Zuwachs von 500 Stimmen zu verbuchen. In Norderstedt erzielte die LINKE mit 5,3 Prozent ein überdurchschnittliches Ergebnis und konnte den Stimmenanteil leicht steigern.

Nun sind Europawahlen nicht vergleichbar mit den Bundestags- oder Landtagswahlen. Doch festzuhalten ist, dass die politische Klasse die Signale vieler Menschen, sich aus dem gesellschaftlichen und politischen Gemeinwesen zurückzuziehen bisher nicht ernsthaft als Problem begreift und somit auf den aufkommenden Rechtspopulismus nur unzureichend reagiert. Auch wenn die Landesregierung meint, sich in ihrer Arbeit bestätigt zu sehen,wird nur ein für die Bürger_innen nachvollziehbare Politikwechsel ein Anwachsen des Rechtspopulismus verhindern können.

Zu groß sind die Probleme des Landes Schleswig-Holstein, als das mit "weiter so" und Selbstzufriedenheit die Herausforderungen bewältigt werden können. Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern, die noch erhebliche Anstrengungen vor sich haben, um die Vorgaben der sich selbst verordneten Schuldenbremse einzuhalten. 2015 soll die Neuverschuldung von 280 auf 180 Millionen Euro sinken. 2016 sollen der Landesetat ausgeglichen und ab 2017 die Altschulden abgetragen werden.

Die Folgen für die öffentliche Infrastruktur und die Personalausstattung des öffentlichen Dienstes sind verheerend: Weil das Land nicht genug Geld bereitstellt, um das Straßennetz in Schuss zu halten, wird sich der Verfall der öffentlichen Infrastruktur in den nächsten Jahren noch verschlimmern; gleichermaßen wird die Politik der Schuldenbremse den öffentlichen Dienst nachhaltig beschädigen. Diese Politik ist keine gute Grundlage, um der wachsenden Verärgerung und Entfremdung der BürgerInnen entgegenzutreten.

Björn Radke 27.5.2014

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alle Daten aus Statistik Amt Nord