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15. Oktober 2015 Olaf Harning

Massenprotest gegen TTIP & Co

"Stoppen Sie TTIP!" Zu tausenden wehten diese Fähnchen am 10. Oktober in Berlin.

Stoppen Sie TTIP", "Für fairen Welthandel" - mit Forderungen wie diesen, protestierten am 10. Oktober in Berlin fast eine Viertelmillion Menschen gegen die geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, darunter auch mehr als 100 NorderstedterInnen. Nach einhelliger Meinung von Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden, sägen die Vereinbarungen an den Grundrechten und gefährden soziale Standards. Auch DIE LINKE hatte zum Protest aufgerufen.

Am Ende war die Zahl der DemonstrantInnen so gewaltig, dass Veranstaltern und Polizei bange wurde: "Bitte verlassen Sie den Platz jetzt zügig in alle Richtungen, bleiben Sie nicht auf den Brücken stehen!", rief ein Sprecher von der Bühne, als die quälende Enge vor dem Berliner Hauptbahnhof auch eine halbe Stunde nach Demo-Beginn nicht gelindert war. Auch als Stunden später die Abschlusskundgebung an der Siegessäule begann, hatten noch immer nicht alle TeilnehmerInnen den Startpunkt verlassen.

Ob nun AnhängerInnen der LINKEN oder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob Umweltaktivisten oder Vertreter von Gewerkschaften und Sozialverbänden: Sie alle trieb die Furcht vor tiefen Einschnitten in tradierte gesellschaftliche Standards auf die Straße, die Sorge vor einer Art Allmacht transnationaler Konzerne. "Stoppen Sie TTIP", appellierten sie deshalb auf tausenden Fähnchen an die Politik - weil TTIP zwar nur eines von drei Freihandelsabkommen ist, die die EU zur Zeit mit den USA und Kanada verhandelt, aber eben auch das weitreichendste. Denn auch wenn große Teile der Transatlantic Trade and Investment Partnership noch im Geheimen besprochen werden, ist Eines bereits klar: Es geht um "Harmonisierung", um die Angleichung der sozialen und wirtschaftlichen Regelungen dies- und jenseits des Atlantiks.

Diese Angleichung funktioniert traditionell nur in eine Richtung: Nach unten. Wie anders sollte die EU beispielsweise ihr gut ausgebautes Arbeitsrecht mit den arbeitgeberfreundlichen Regelungen der USA "harmonisieren"? Die Vereinigten Staaten haben bis heute noch nicht einmal die wichtigsten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) anerkannt, würden niemals den hohen Arbeitnehmerschutz akzeptieren, wie er beispielsweise in Deutschland herrscht. Und während chemische Produkte hierzulande erst zugelassen werden, wenn ihre Unschädlichkeit bewiesen ist, müssten jenseits des Atlantiks erst Menschen nachweislich durch ein Produkt zu Schaden kommen, bevor die Behörden reagieren.

Geht es nach den „Machern“ des Abkommens, könnten all jene Konzerne, die künftig bei transnationalen Geschäften von solchen „Handelshemmnissen“ betroffen sind, auf eine Art Schadensersatz klagen – vor sogenannten Schiedsgerichten, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen. Wie so etwas aussehen kann, exerziert derzeit der schwedische Energiekonzern Vattenfall vor: Weil der deutsche Atomausstieg dem Unternehmen zukünftige Gewinne verhagelt, fordert Vattenfall vom deutsche Staat eine Kompensation von 4,7 Millionen Euro. Dass der Atomausstieg auf einen Beschluss demokratisch gewählter Institutionen zurückgeht und eine Reaktion auf das Reaktorunglück von Fukushima ist, interessiert da nur noch am Rande.